Texte und Fotos von Werner Fasolin, Gipf-Oberfrick
Saison 2022 Wie geht das eigentlich mit dem Nestbau? Viele Mauerseglerfreunde kaufen oder bauen Kästen, die mit muldenförmigen Nistmulden ausgestattet sind. In der Gipfer Kolonie lassen wir vornehmlich die Natur walten und greifen nur behutsam in kritischen Situationen ein. Ein selbstgebautes Nest steht genau dort, wo das Paar es will. Die Platzwahl ist nämlich sehr individuell. Ein Beispiel von diesem Sommer. Der Kasten 20 wurde Anfang April neu im Giebelspitz eingelassen. Schon im Mai übernachtete ein junges Paar regelmässig darin, und los ging es mit dem Nestbau. Das Baumaterial dazu liegt buchstäblich „in der Luft“. Jeder Halm, jedes Federchen wird fliegend erhascht und in den Kasten getragen. Dort wird dieses Material dann kreisförmig angeordnet und mit Speichel verklebt. Nächstes Jahr dürften hier die ersten Eier bebrütet werden. (Abb. 1) In einem Gartencenter sah ich jahrelang eine einzelne künstliche Mulde aus Holzbeton auf dem Regal verstauben. Klar, diese Mulde war für den Mauersegler gedacht, aber entsprechende Kästen waren nicht im Sortiment. Schliesslich kaufte ich diese Mulde (bevor sie als Ladenhüter den Weg in den Müll geht...). Im bisher noch unbenutzten Kasten 14 setzte ich sie im März 2019 ein und war sehr überrascht, dass ein neu angekommenes Paar diesen rauen, grauen Brocken sofort annahm und mit dem Auspolstern begann. (Abb. 2)
Im Kasten 7 kam es Mitte April zu einem Notfall. Spatzen hatten sich mit viel List und Kraft Zugang verschafft und den ganzen Raum mit Nistmaterial verstopft. Dabei wurde auch das in vielen Jahren aufgebaute und stets ausgebesserte Naturnest völlig zerzaust. Noch bevor die Spatzen Eier legten, wurde das Nistmaterial entfernt (Spatzen haben bei uns genug Ausweichmöglichkeiten zum Nisten). Dann wurde in der Schnelle ein Holzring als künstliche Hilfe gebastelt und befürchtet, dass diese grobe Alternative zum zerstörten Nest nicht angenommen wird. Aber das Foto zeigt, dass das Paar mit dieser Lösung ganz zufrieden war und sogar vier Eier hinein legte (eines davon war nicht befruchtet). In der Zwischenzeit ist der Holzring bereits völlig ausgepolstert. (Abb.3)
Besonders eilig hatte es das Paar, das neu im Kasten 12 zu brüten begann. Erst wenige Halme waren am Boden verklebt, und schon lagen drei Eier da, allerdings rollten diese im Kasten herum. Tägliches Zurücklegen nützte nichts. Häufig sind solche Erstbrütereier nicht befruchtet, aber trotzdem wurde beschlossen, hier ein bisschen nachzuhelfen. Ein einfacher Holzring wurde anstelle der wenigen Halme am Boden festgeklebt, die Eier hineingelegt. Drei junge gesunde Mauersegler unterstreichen den Erfolg dieser minimalen Nachhilfe. (Abb. 4) Tagebuch 2022 der Spyrenkolonie in der Gipf Langer, wetterbedingter Vorlauf 25. April: Am späteren Nachmittag kreist der erste Spyr über den Häusern der unteren Gipf. 28. April, 20.30 h: Je 1 Spyr fliegt in Kasten 9 und Kasten 12! 30. April, abends: Der Spyr von Kasten 12 sitzt auf dem Nest, ansonsten noch keine Aktivitäten. 2. Mai: Um 11 Uhr fliegen drei Spyre mit kurzen Sriiih-sriiih-Schreien um das Schaffnerhaus. Um 19 Uhr je ein Einflug in Kasten 6 und Kasten 12. 3. Mai: Um 19.30 Uhr 5 Spyre mit Sriiih-sriiih-Schreien, 4 Einflüge in diverse Kästen. 4. Mai: In Kasten 8 sitzt das erste Paar auf dem Nest. 5. Mai: Bei regnerisch kühlem Wetter fliegen um Mittag 10 Spyren Kreise um das Haus. Einflüge in Kasten 2 und Kasten 9. 6. Mai: Um 11 Uhr sitzt ein Paar in Kasten 9, 5 Spyre kreisen in der Luft. 7. Mai: Abends sind 7 Spyre in der Luft, mehrere Einflüge in diverse Kästen. 8. Mai: Um 11 Uhr 7 Spyre in regem Flugmodus 9. Mai: Um 19 Uhr sitzt ein Paar in Kasten 2, je ein Spyr in den Kästen 8 und 17. 9. und 10. Mai: Endlich ist ein grösserer Trupp angekommen. Mehrmals täglich vliele Sriiih-sriiih-Schreie sowie Ein- und Ausflüge in die Kästen. Die Brutsaison kann beginnen.
Zügiges Brut- und Aufzuchtgeschäft dank günstiger Witterung 17. Mai: In den Kästen 1, 2, 3, 5, 7, 8 10, 11, 12, 15, 19 und 20 sitzt je ein Paar, in Kasten 4 ein einzelner Spyr (hier ging ein Partner verloren, der andere Partner zog später wieder weg). In den Kästen 3, 4, 5 und 10 liegt bereits je ein Ei im Nest. 18. Mai: Bereits 6 Eier in 5 Nestern werden gezählt (2 in Kasten 10, dem ältesten Brutpaar der Kolonie. Die Jungen aus diesen zwei Eiern sind am 14. Juli kurz nacheinander ausgeflogen). 20. Mai: 13 Eier in 8 Nestern. 24. Mai: 26 Eier in 15 Nestern (erfolgreich gebrütet wurde in 14 Kästen, 1 Ei eines Erstbrüterpaares in Kasten 11 war nicht befruchtet). 26. Mai: Mindestens 37 Eier. Keine Kontrollen vom 27. Mai bis 12. Juni wegen Ferien im Süden... 13. Juni: Gezählt werden 26 Küken und 6 Eier. Mehrere Nester können nicht eingesehen werden da noch gebrütet oder bereits gehudert wird. Hier darf nicht gestört werden. Bei den übrigen Nestern waren die Altvögel abwesend auf Futterbeschaffung. 15. Juni: Es können 36 Küken und 4 Eier gezählt werden. 17. Juni: 41 Küken und 3 Eier (davon 2 unbefruchtet) 21. Juni: 42 geschlüpfte Küken in 14 Kästen bedeuten 3 pro Paar, das Maximum des Brutvermögens von 2 adulten Spyren.
Kontrolle und Beringung 5. Juli: Ueli Schaffner aus Gelterkinden kann 42 junge, gesunde Mauersegler dokumentieren und beringen. Es werden gemessen: Gewicht, Länge der zweiten Handschwinge, Flügellänge, Parasitenbefall. Erfreulich: in der ganzen Kolonie wurde keine einzige Mauerseglerlausfliege entdeckt. Zusätzlich kann Ueli mehrere Kontrollfänge von adulten Tieren durchführen. Die Überraschung war dabei, dass das Weibchen aus Kasten 14 bereits einen Ring trägt. Die Nummer dieses Ringes ist in der Liste von 2020 registriert, als dieses Weibchen zum ersten Mal in Kasten 14 brütete und bei dieser Gelegenheit das Erkennungszeichen erhielt: S 105443. Somit hat S 105443 zum dritten Mal hintereinander im gleichen Land, im gleichen Kanton, im gleichen Ort, am gleichen Haus, im gleichen Kasten erfolgreich gebrütet, und das tausende Kilometer entfernt vom „Winterquartier“ (das 9 Monate dauert).